Wahrscheinlich werden wir diese Frage niemals 100%ig beantworten können. Betrachten wir jedoch die pflanzliche und tierische Vielfalt, die wir in den Einschlüssen aus jener Zeit finden, so übersteigt sie um vielfaches die der heutigen Wälder. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass es einen Bernsteinwald gab, indem es auch ganz besondere, uns noch unbekannte, Baumarten gab. Möglich ist aber auch, dass das Baumharz, was später zum Baltischen Bernstein wurde, nicht nur aus einem Wald stamm, sondern vielen Wäldern Europas und durch ein besonderes Ereignis, eine Katastrophe wie Meteoriteneinschlag, Landhebung oder -senkung, gigantischen Wirbelsturm, Tsunami… als Treibgut in einer Bucht unter der heutigen Ostsee, zusammen fand.
So glaube ich nicht unbedingt daran, dass es eine Art Bernsteinbaum gegeben haben muss, der überdurchschnittliche Menge Baumharz aussonderte. Viel mehr denke ich, dass die Bedingungen im Bernsteinwald ganz besonders waren (plötzliche Klimaveränderung, Temperaturanstieg) was dazu führte, dass als Reaktion gewöhnliche Bäume überdurchschnittlich viel Harz produzierten.
Um unsere Anfangsfrage zu beantworten müssen wir uns eine weitere Frage stellen. Was ist Baumharz und wozu wird dieser von Bäumen benötigt?
Das Baumharz ist eine zähe und klebrige Flüssigkeit, optisch vergleichbar mit dickflüssigem Honig, die im Baumstamm von Baumzellen hergestellt und in Harzkanälen gespeichert wird. Je nach Baumart unterscheidet sich auch die produzierte Harzmenge. Bei Verletzungen der Baumrinde läuft an dieser Stelle das Harz aus und verschließt sie. Es schützt auf diese Weise den Baumstamm vor dem Austrocknen.
Die vielen und unterschiedlichen Einschlüsse (Inklusen) geben uns noch weitere Hinweise zu der damaligen Konsistenz des Baumharzes. Betrachten wir Bernsteininklusen unter einem Mikroskop, so können wir feinste, perfekt erhaltene Details der Einschlüsse erkennen. Ob Insektenflügel, -fühler, -augen oder Insektenbeine, ob Samen, Blütenstaub, Federn oder feinste Spinnfäden, kaum etwas klebt zusammen oder ist sonst irgendwie deformiert. Das Harz muss demnach sehr weich und flüssig gewesen sein. An manchen, warmen Sommertagen können wir diese Art von Harz, sogar in unseren Wäldern entdecken, siehe Fotos. So glaubt man, dass die Lufttemperatur im Bernsteinwald grundsätzlich höher, mindestens 3-5°C, über der heutigen gelegen haben muss.
Im Sommer 2015 hörte ich ein interessantes Radio-Interview mit Prof. Barbara Kosmowska-Ceranowicz, einer sehr anerkanntesten Wissenschaftlerinnen im Bereich der Bernstein-Grundlagenforschung. In diesem Interview, erwähnt Sie den Gedanken von Vulkanaktivitäten als mögliche Ursache für die plötzliche Temperaturzunahme.